„L'amour toujours“ von Gigi D'Agostino: Wenn Nazis Musik krallen

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„L'amour toujours“ von Gigi D'Agostino: Wenn Nazis Musik krallen

Die Musikindustrie ist schockiert: der italienische DJ und Produzent Gigi D'Agostino geriet in die Kritik, nachdem bekannt wurde, dass seine Musik von Neonazis und Rechtsextremisten instrumentalisiert wird. Der Titel L'amour toujours ist ein weltweiter Erfolg und gilt als ein Klassiker der Tanzmusik. Doch nun wird offensichtlich, dass die rechte Szene die Musik als Propagandamittel nutzt, um ihre hasserfüllten Ideologien zu verbreiten.

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Die Nazi-Symphonie: Wie Gigi D'Agostinos Hit zu einem Nazi-Lied gemacht wurde

Im aktuellen Fall kam vieles zusammen: Eine schillernde Szenerie, schick gekleidete junge Menschen, jede Menge Champagner – dazu widerwärtige Parolen im Partysong-Modus. Es ist auch dieser krasse Kontrast, der offenbar so viele schockiert: Weiße-Hemden-Träger und Frauen mit Goldohrringen, die braunes Gedankengut grölen, als sei es ein ganz normaler Schlagerhit.

Doch dass Nazi-Musik ausschließlich aus Rechts-Rock besteht und auf Szene-Festivals im Osten gefeiert wird, ist eine Mär. „L'Amour toujours“ von Gigi d'Agostino ist längst nicht der erste und einzige Song, der von Rechten gezielt gekapert worden ist und Nazi-Parolen in den Mainstream hineinspült.

Ein weiterer Fall: Die NPD und die Musik

Ein weiterer Fall: Die NPD und die Musik

Einen eindeutigen Fall gab es 2014 im Thüringer Landtagswahlkampf: Die NPD versuchte unverhohlen mit Songs von Musikern wie Unheilig, den Ärzten oder Andreas Bourani Stimmung zu machen, um „Leute davon zu überzeugen, dass wir einfach wie sie sind“. So erklärte es der thüringische Landesvorsitzende der NPD damals.

Lieder wie „Gekommen, um zu bleiben“ von der Band „Wir sind Helden“ wurden allerdings nicht umgetextet wie im Fall Sylt. Deutsch Hits eher insgesamt in rechtsradikale Zusammenhänge gebettet. Mehrere Künstler, darunter die linke Popband „Wir sind Helden“ und Schlagerstar Helene Fischer, setzten sich damals juristisch zur Wehr – und erzielten einstweilige Verfügungen gegen die Nutzung ihrer Lieder. Kosten bei Zuwiderhandlung: mehrere Hunderttausend Euro.

Der Fall L'amour toujours

So einfach ist es im Fall „L'amour toujours“ nicht. Der 25 Jahre alte Hit des italienischen DJs Gigi D'Agostino ist nicht offiziell von einer Partei zum Wahlkampfschlager auserkoren worden. In der widerwärtigen „Ausländer raus“-Version schleicht er sich vielmehr subtil ein in Partyszenerien, nicht nur auf Sylt.

Das geschehe nicht plötzlich, dahinter stecke immer eine Agenda, sagt der Musikwissenschaftler Alexander Gurdon, der an der TU Dortmund forscht zum Thema „Musik als Erinnerungskultur zwischen Politik und Propaganda“. Kultur sei ein Mittel zum Zweck, den Diskurs immer weiter nach rechts zu verschieben, „insofern ist die rechtsradikale Kaperung von Gigi d‘Agostinos Hit ein großer Erfolg für die extreme Rechte“, sagt Gurdon.

Schon seit Oktober 2023 geistert die Version durch soziale Netzwerke, zunächst auf Tiktok, wird so zum viralen Hit, ein Meme, das in die analoge Welt einfließt. So beschreibt es sogar die junge Frau von Sylt: Sie habe nur ein Meme aus dem Internet nachgeahmt.

Warum wird ein Lied, das von nichts Harmloserem als der Liebe handelt, zur Nazi-Hymne?

Musikforscher Gurdon sagt: „Je bekannter das Lied, desto schneller verankert sich der propagandistisch dazu erfundene Text in der Wahrnehmung.“ „L'amour toujours“ habe Wiedererkennungswert, musikalische Eingängigkeit, eine einfache Songstruktur. Die Musikrichtung sei nicht unbedingt ausschlaggebend, aus der Vergangenheit gebe es viele Beispiele politischer Instrumentalisierung, auch von links: Etwa der berühmte „Gefangenenchor“ aus Giuseppe Verdis Oper „Nabucco“.

„Ursprünglich ein Chor der Unterdrückten, die sich Befreiung wünschen, vor historischer Kulisse des 6. Jahrhunderts“, erklärt Gurdon. Viel später sei dieser Gefangenenchor aber zum musikalischen Sinnbild gegen die zeitgenössische Zensur und Unterdrückung in Italien geworden. „Aber das hat gedauert, die Oper musste sich etablieren, diese Protestnote war beileibe nicht von Anfang an darin zu finden“, sagt Gurdon.

Dass sich eine solche Entwicklung bei gekaperten Liedern umkehren lässt, ist unwahrscheinlich. Und auch Verbote, so wie es Veranstalter unter anderem auf dem Münchner Oktoberfest und dem Cannstatter Volksfest für den Hit von Gigi D’Agostino planen, werden daran wohl nichts ändern. Musikforscher Gurdon ist überzeugt: „Das Original-Lied ist zu einem sinnentleerten Behälter geworden, der jetzt erfolgreich rechte Propaganda ist.“ Gleichwohl: Das Lied jetzt einfach so auf Volksfesten zu spielen, wäre ein fatales Zeichen. Es gilt, Haltung zu zeigen, und dem darin verbreiteten Gedankengut nicht noch mehr Nährboden zu geben.

Dass es abseits von großen Bühnen Gesänge geben kann, wo auch immer das Lied in diesen Tagen erklingen mag, lässt sich letztlich nicht gänzlich vermeiden. Egal, ob Menschen das aus Provokation oder gar aus Überzeugung tun: Niemand sollte das unwidersprochen stehen lassen.

Dirk Werner

Als Redaktionsleiter von Real Raw News habe ich eine umfangreiche Erfahrung im Journalismus gesammelt. Mit einem starken Fokus auf nationale Nachrichten in Deutschland decke ich als digitaler Generalist Themen wie Kultur, Wirtschaft, Sport und aktuelle Ereignisse ab. Mein Ziel ist es, unseren Lesern stets fundierte und relevante Informationen zu liefern und sie mit spannenden Geschichten zu begeistern. Mit meiner langjährigen Expertise in der Branche stehe ich für eine professionelle und qualitativ hochwertige Berichterstattung.

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