Am Vorabend der Erstaufführung von Robert Wilsons 'Moby Dick' im Schauspielhaus
Die erwartete Premiere von Robert Wilsons spektakulärer Inszenierung von Herman Melvilles Klassiker Moby Dick steht unmittelbar bevor. Am kommenden Abend wird im Schauspielhaus die Welturaufführung dieser aufwendigen Produktion stattfinden, die von Kritikern und Theaterfreunden gleichermaßen hocherwartet wird. Der amerikanische Regisseur Robert Wilson, bekannt für seine visuell atemberaubenden Inszenierungen, hat sich mit dieser Adaption des Meisterwerks der Weltliteratur eine große Herausforderung gestellt. Wie wird er das ehrwürdige Werk auf die Bühne bringen? Die Neugierde der Zuschauer ist geweckt.
Am Vorabend der Erstaufführung von Robert Wilsons Moby Dick im Schauspielhaus
Kilian Ponert wusste, dass sich Inszenierungen von Robert Wilson immer als Überraschungskiste erweisen. Nun erlebte der Schauspieler zum ersten Mal, wie die Arbeit mit dem amerikanischen Theatermagier ablief. Der vertraute ihm in Moby Dick die wichtige Rolle des Ismael an.
Ich mag ihn sehr, Ismael ist der, mit dem sich das Publikum verbrüdert, erzählt Ponert kurz vor der Premiere am Samstag. Gespannt, was auf mich zukommt, wollte ich die Pferde bei den Proben erst einmal stillhalten. Es war eine hochintensive Zeit, vor allem, wenn man Wilsons Methode, eine Kombination aus Bewegung und Beleuchtung, noch nicht kennt. Die musste ich zunächst begreifen, und ich bin immer noch dabei.
Ihm sei auch die Aufgabe zugefallen, etwas Heiterkeit in den schweren Stoff zu bringen. Schon krass von dieser Mannschaft, fünf Jahre auf den Weltmeeren unterwegs zu sein und die friedlichsten Tiere zu töten, sagt er. Die Romanvorlage von Herman Melville schildert die besessene Jagd von Kapitän Ahab nach einem weißen Wal. Genau dem, der ihm einst ein Bein abgerissen hat. Blind vor Rachegelüsten, treibt er seine Mannschaft ins Verderben.
Im Buch ist Ismael der einzige Überlebende. Und auf der Bühne? Mal schauen, wir haben das Ende noch nicht fertig geprobt, antwortet Kilian Ponert und lacht.
Infos zur Spielzeit-Eröffnung
Die Premiere von Moby Dick wird am kommenden Samstag um 19.30 Uhr im Großen Haus gefeiert, um 19 Uhr gibt Intendant Wilfried Schulz eine Einführung in das Stück nach dem 1851 erschienenen Roman von Herman Melville. Regie: Robert Wilson, Musik: Anna Calvi. Weitere Termine: 8.9., 16 Uhr, 28.9., 20 Uhr. Info und Karten über www.dhaus.de
Tag der offenen Tür
Das traditionelle Fest zum Saisonstart am 14. September ab 15 Uhr bietet Familienunterhaltung mit Shows, Live-Musik, Führungen und Lesungen. Der Eintritt ist frei. Um 19.30 Uhr stellen Schauspiel, Junges Schauspiel und Stadt:Kollektiv im Großen Haus ihre Programme vor.
Rosa Enskat als Kapitän Ahab
Neben ihm sitzt Rosa Enskat, die seit Der Sandmann viel Erfahrung mit dem eigenwilligen Regisseur hat. Als das Raunen nicht aufhörte, sie sei als Kapitän vorgesehen, wehrte sie zunächst energisch ab. Warum sagte sie dann doch zu? Es kamen Mails von Robert Wilson – was dieser Menschenfänger halt so schreibt, um einen anzulocken. Und wer weiß, ob ich noch einmal die Möglichkeit bekomme, mit ihm zu arbeiten.
Im Gegensatz zu Kilian Ponert hat sie den Roman nicht gelesen. Ich kümmere mich nicht so sehr um textliche Inhalte, erklärt sie. Die Annäherung an eine Figur geschieht bei mir über Maske und Kostüm, weniger über Worte, die ich meist viel zu viel finde. Ich bin ein Freund von fast keinen Worten im Theater. Um das Publikum zu kriegen, brauchst du deine Sinne.
Aber eine wirkliche Annäherung, korrigiert sie, sei bei Wilson auch gar nicht erwünscht. Bei ihm arbeitet man nicht an seiner Figur. Er stellt einen hin und beleuchtet einen bis zur Schmerzgrenze. Man ringt auch nicht um Formulierungen. Worte begreift er als Töne. Hauptsache, es klingt.
Die Musik von Anna Calvi
Wie bei früheren Wilson-Inszenierungen hat die britische Pop-Künstlerin Anna Calvi die Musik für Moby Dick komponiert. Wird auch der Kapitän singen? Ja, er singt, bestätigt Rosa Enskat. Man hört es an meiner Heiserkeit. Er muss auch leider viel brüllen, das geht auf die Stimmbänder.
Das Theater als Lebensleistung
Worin liegt der Reiz, sich diesem Regisseur trotz allem zu unterwerfen? Für mich ist er einer der letzten großen Künstler, die ihre Visionen umsetzen, sagt Rosa Enskat. Das ist hart bei den Proben, aber auch wahnsinnig inspirierend. Eine Lebensleistung wie die seine sei heutzutage im Theater nicht mehr zu finden. Er ragt heraus, als Persönlichkeit und Humanist, verdeutlicht sie. Nicht mit ihm gearbeitet zu haben, hätte mir etwas weggenommen von meinem Leben.
Während der Szenenprobe im verdunkelten Großen Haus entsteht eine Atmosphäre von Meeresrauschen und donnernden Wellen. Kilian Ponert wird ein schlohweißer Zottelbart verpasst. Er nimmt ein Buch in die Hand und deklamiert: Wundert euch nun noch die feurige Jagd? Wundert ihr euch?
Beim Regisseur Robert Wilsons Anweisungen an die Schauspieler sind unfassbar penibel. Etwas nach links, nein, nicht so weit, die rechte Schulter nach vorn, wieder zurück, einen Meter Richtung Mast, nein, weniger schräg, dann nach gegenüber, auf Rosa zu und stopp. Jeden einzelnen Schritt legt Wilson fest, in einem langsamen, wenn auch präzisen Prozess. Man ahnt, dass dies für die Akteure mitunter Mühsal bedeutet. Wie sollen sie sich all diese Details einprägen?
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