Der Bundesgerichtshof verurteilt ehemalige KZ-Sekretärin (99): 'Ein wichtiger Abschnitt deutscher Strafrechtsgeschichte'

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Der Bundesgerichtshof verurteilt ehemalige KZ-Sekretärin (99): 'Ein wichtiger Abschnitt deutscher Strafrechtsgeschichte'

In einem historischen Urteil hat der Bundesgerichtshof eine ehemalige Sekretärin eines Konzentrationslagers (KZ) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die 99-jährige Angeklagte war als Schreibkraft in dem KZ Stutthof tätig und wird vorgeworfen, an den Verbrechen des Nationalsozialismus mitgewirkt zu haben. Das Urteil wird als wichtiger Abschnitt deutscher Strafrechtsgeschichte bezeichnet, da es eines der letzten Verfahren gegen ehemalige NS-Verbrecher ist. Die Verurteilung gilt auch als wichtiger Schritt zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und zum Gedenken an die Opfer des Holocaust.

Bundesgerichtshof verurteilt ehemalige KZ-Sekretärin: Ein wichtiger Abschnitt deutscher Strafrechtsgeschichte

Schon die Tatsache, dass über eine Revision mündlich verhandelt wurde, war ungewöhnlich. Doch was der Bundesgerichtshof mit dem Urteil des Landgerichts Itzehoe tat, zeigt einmal mehr, welche Bedeutung dieser Art Fälle beigemessen wird. Die juristische Aufarbeitung des Holocausts wurde Jahrzehnte versäumt, auch deshalb ist jedes einzelne NS-Verfahren der jüngeren Vergangenheit essenziell. Selbst dann, wenn es um hochbetagte Menschen geht, denen keine direkte Tat, sondern „nur“ Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird.

Darum ging es auch im Fall Irmgard Furchner. Die heute 99 Jahre alte Frau war von Juni 1943 bis April 1945 in der Kommandozentrale des KZ Stutthof nahe Danzig eingesetzt. Sie war Schreibkraft, ihr Chef der Lagerkommandant und SS-Sturmbannführer Paul Werner Hoppe, der ihr vermeintliche Banalitäten des Bösen diktierte: Deportationslisten für Züge nach Auschwitz, Materiallisten zur Herstellung des Giftgases Zyklon B. Ihr Schreibtisch war in der Abteilung 1, ihr Fenster mit Blick auf die Gefangenenbereiche, der Geruch von verbranntem Menschenfleisch reichte in ihr Büro – so stellte es das Landgericht Itzehoe nach 14 Monaten Verhandlung im Dezember 2022 fest.

Es verurteilte die damals zwischen 17- und 19-jährige Irmgard Furchner zu zwei Jahren Jugendhaft auf Bewährung.

Ein historischer Prozess

Ein historischer Prozess

Ihr Anwalt ging in Revision, der Bundesgerichtshof nahm sich der Sache an. Grundsatzfragen wurden erneut diskutiert: Kann eine Sekretärin Beihilfe zu Mord begehen? Was muss ihr dafür nachgewiesen werden? Wie weit geht die Schuldfrage im schlimmsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte?

Schon andere Prozesse, etwa jene gegen ehemalige SS-Wachleute, behandelten diese Punkte. Ein Umdenken gibt es seit dem Urteil im Fall John Demjanjuk aus dem Jahr 2011 vor dem Landgericht München – das die Mitschuld von Helfern ohne konkreten Tatnachweis feststellte. Auch im Fall Irmgard Furchner, die als erste zivile Arbeitskraft in einem NS-Prozess angeklagt ist, blieb die Justiz nun bei dieser Überzeugung: Auch Helfershelfer waren ein Rädchen in der Mordmaschinerie. Auch sie tragen Schuld.

In ihrem Fall wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und wegen Beihilfe zum versuchten Mord in fünf Fällen. Dieses Urteil ist kein Ergebnis von Rache oder Vergeltung. Das hat jeder einzelne Auftritt von Holocaustüberlebenden stets deutlich gemacht. Dass sie als ebenso hochbetagte Zeugen gehört werden, ist bei diesen Prozessen ein Wert an sich. Dass Mittäter- und -täterinnen schlussendlich zur Verantwortung gezogen werden – durch milde Bewährungsstrafen ohnehin eher symbolisch – ist nicht nur für die hinterbliebenen Opfer ein wichtiges Signal.

Es soll zeigen: Niemand der direkt Beteiligten kann sagen, er habe es nicht gewusst. Jeder hatte eine Wahl, und wenn es nur eine Bitte um Versetzung gewesen wäre.

Heike Becker

Ich bin Heike, Journalistin bei Real Raw News, einer digitalen Generalistenzeitung mit Fokus auf nationalen Nachrichten in Deutschland. Bei uns dreht sich alles um Kultur, Wirtschaft, Sport und aktuelle Nachrichten. Meine Leidenschaft gilt dem Schreiben und der Berichterstattung über relevante Themen, die unsere Leserinnen und Leser interessieren. Mit fundierten Recherchen und einem kritischen Blick auf aktuelle Geschehnisse möchte ich dazu beitragen, dass unsere Leserschaft stets bestens informiert ist und sich eine fundierte Meinung bilden kann.

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