Kardinal Franz Hengsbach: Missbrauchsvorwürfe gegen Essener Gründerbischof werden aufgearbeitet

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Kardinal Franz Hengsbach: Missbrauchsvorwürfe gegen Essener Gründerbischof werden aufgearbeitet

Die Katholische Kirche steht erneut im Fokus der Missbrauchsvorwürfe. Diesmal geht es um Kardinal Franz Hengsbach, den Gründerbischof von Essen. Die Vorwürfe belasten den ehemaligen Bischof schwer, der von 1958 bis 1991 im Amt war. Erhebliche Vorwürfe gegen Hengsbach werden derzeit aufgearbeitet, wie die Diözese Essen bekannt gab. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, um die Vorwürfe von Missbrauch zu überprüfen. Die Kirche hat sich bereits zu einer umfassenden Aufarbeitung der Vorwürfe bekannt. Die Öffentlichkeit wartet nun auf die Ergebnisse der Untersuchungen.

Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen gegen Kardinal Hengsbach

Aus dem Stadtbild ist er längst verschwunden: Die überlebensgroße Kardinal-Hengsbach-Statue, die seit 2011 vor dem Essener Dom an den Gründerbischof erinnerte, wurde Ende September 2023 abmontiert. Nicht einmal eine Woche war da vergangen, seit das Ruhrbistum schwerwiegende Missbrauchsvorwürfe gegen Franz Hengsbach (1910 bis 1991) bekanntgemacht und damit ein Beben ausgelöst hatte.

Erschüttert hatte viele Gläubige, in welcher Geschwindigkeit sein Denkmal, aber auch sein Name von Straßen und Plätzen in Essen verschwanden. Jetzt sollen die Vorwürfe und sein Wirken wissenschaftlich aufgearbeitet werden, in aller Gründlichkeit – die schon einmal versäumt wurde.

Das Münchener Institut für Praxisforschung und Projektberatung übernimmt die Aufarbeitung

Das Münchener Institut für Praxisforschung und Projektberatung übernimmt die Aufarbeitung

Das nun beauftragte Münchener Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP), das zusammen mit der Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte (HFZ) die Hengsbach-Studie durchführt, hatte schließlich bereits die allgemeine Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Essen übernommen und im Februar 2023 ihren Abschlussbericht vorgestellt.

Dass die prominenteste Figur in der Geschichte des Bistums unerwähnt blieb, obwohl eine Betroffene sich bereits 2011 an entsprechende Stellen gewandt hatte, ließ Fragen offen. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck räumte den Fehler ein, von diesem Fall gewusst zu haben. Er entschuldigte sich ausdrücklich dafür, der Einschätzung des Nachbarbistums einst gefolgt zu sein, nämlich dass die Vorwürfe nicht plausibel seien.

InfoAufruf an Betroffene und Zeitzeugen zur Mithilfe

Kontakt: Betroffene von sexueller Gewalt durch Franz Hengsbach und Zeitzeugen aller Art können sich direkt an das IPP wenden. Email: [email protected] Telefon: 089 54359770, Post: IPP München, Ringseisstr. 8, 80337 München.

Hinweis: Es besteht auch die Möglichkeit, sich anonym zu melden. Das Institut ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und gibt an, alle Angaben und Daten vertraulich zu behandeln.

Die Studie: Eine sozialwissenschaftlich-historische Aufarbeitung

Die Studie sei eine sozialwissenschaftlich-historische, ausdrücklich keine juristische Aufarbeitung im kriminologischen Sinne, betont IPP-Geschäftsführerin Helga Dill. Forschungsfragen seien unter anderem: Was wird Hengsbach konkret vorgeworfen? Welche Meldungen lassen sich fundieren? Hat er andere, des Missbrauchs beschuldigte Kleriker aktiv geschützt?

„Wir wollen diesmal in alle Schubladen schauen, die es gibt“, so Dill. Die beiden Institutionen wollen komplette Transparenz, vollständige Akteneinsicht, Interviews mit Betroffenen – und am Ende der Arbeit soll nicht nur eine klassische Studie vorgelegt werden, sondern auch eine neue Biografie des Bistumsgründers erscheinen, der schon zu seiner Lebzeit „zum Ruhrgebietshelden hochstilisiert wurde“, wie Essens Generalvikar Klaus Pfeffer anmerkt.

Ein Ziel der Studie: Die Antwort auf die Frage nach dem überzogenen Amtsverständnis

Ein Ziel der Studie aus Sicht des Bistums sei auch die Antwort auf die Frage: Wohin führt ein religiös derart überzogenes Amtsverständnis, das Menschen auf einen so hohen Podest hebt?

Erstmals in der Geschichte der Katholischen Kirche in Deutschland wird mit dem 1991 verstorbenen Kardinal ein so ranghoher Kleriker beschuldigt, sexuelle Gewalt gegen Minderjährige verübt zu haben. Von einem „gravierenden“, also begründeten Verdacht sprach das Bistum bei Bekanntmachung 2023. Man halte die Vorwürfe für glaubhaft.

Ein erster Fall: Franz Hengsbach, damals Weihbischof und 44 Jahre alt, und sein 27-jähriger Bruder Paul, ebenfalls Diözesanpriester des Erzbistums Paderborn, sollen 1954 eine 16-Jährige sexuell missbraucht haben. Die Betroffene wandte sich 2011 an die Ansprechpersonen in Paderborn, da war Franz Hengsbach schon 20 Jahre tot. Sein Bruder Paul, erst 2018 verstorben, stritt die Beschuldigungen vehement ab.

Der zweite Vorwurf gegen den Kardinal: 1967 soll sich der damalige Bischof des jungen Ruhrbistums an einer Minderjährigen vergriffen haben; sie wandte sich im Oktober 2022 ans Bistum Essen. Inzwischen seien sieben weitere Hinweise eingegangen, berichtet Generalvikar Pfeffer an diesem Montag.

Ob und inwiefern damit weitere konkrete Missbrauchsvorwürfe im Raum stehen, muss jetzt erörtert werden. Die Wissenschaftler bitten eindringlich auch darum, zur Aufarbeitung beizutragen: „Bitte melden Sie sich, wenn Sie Kardinal Hengsbach noch persönlich erlebt haben und über Erfahrungen (positive und negative) mit ihm berichten können“, so die Forscher.

Der Aufruf gelte sowohl Betroffenen von Grenzüberschreitungen und Missbrauch als auch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen genereller Art. Finanziert wird das 785.000 Euro teure Projekt nicht nur von den beiden betroffenen Bistümern, auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und das Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat zählen zu den Geldgebern.

Heike Becker

Ich bin Heike, Journalistin bei Real Raw News, einer digitalen Generalistenzeitung mit Fokus auf nationalen Nachrichten in Deutschland. Bei uns dreht sich alles um Kultur, Wirtschaft, Sport und aktuelle Nachrichten. Meine Leidenschaft gilt dem Schreiben und der Berichterstattung über relevante Themen, die unsere Leserinnen und Leser interessieren. Mit fundierten Recherchen und einem kritischen Blick auf aktuelle Geschehnisse möchte ich dazu beitragen, dass unsere Leserschaft stets bestens informiert ist und sich eine fundierte Meinung bilden kann.

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