Kolumne Wissensdrang: Vertrauen in Begrifflichkeiten erschüttert
Die jüngste Kolumne Wissensdrang hat die Leserschaft in Aufruhr versetzt. Der Verfasser hinterfragt fundamentale Begrifflichkeiten, die unseren Alltag prägen und kritisiert das Vertrauen, das wir diesen Begriffen entgegenbringen. Diese kontroverse Analyse hat Diskussionen ausgelöst und die Leser dazu angeregt, ihre eigenen Überzeugungen zu reflektieren. Die Debatte um den Umgang mit Sprache und Bedeutung nimmt Fahrt auf, da viele Leser ihre Gewissheiten in Frage stellen. Die Kolumne wirft ein grelles Licht auf die Fragilität unserer Wissensbasis und fordert uns auf, kritisch zu hinterfragen, was wir für bare Münze nehmen.
Kontroverse Urteile im Fall der Gruppenvergewaltigung sorgen für Empörung und Diskussionen
Seit vor einigen Monaten die Urteile im Falle der Gruppenvergewaltigung einer 15-Jährigen im Hamburger Stadtpark verkündet wurden – außer einer einzigen Haftstrafe unter drei Jahren und neun Jugendstrafen von ein bis zwei Jahren alle zur Bewährung ausgesetzt –, brach eine Welle von Empörung und Drohungen über die Richterin herein.
Kein Wunder: Das Wort Gruppenvergewaltigung lässt an eine Männerhorde denken, die mit brutaler Gewalt gemeinsam über ein junges Mädchen herfällt. Geht ein mildes Urteil hier nicht auf Kosten potenzieller Opfer?
In Wirklichkeit zeigt das Urteil keine schwächere, sondern eine stärkere Strafverfolgung sexueller Übergriffe an als früher. Keiner der noch jugendlichen Täter hatte physische Gewalt angewendet. Sie hatten einzeln, bei einer öffentlichen Feier im Park, den Trunkenheitszustand des Mädchens sexuell ausgenutzt, das nicht protestiert hatte.
Das wäre früher gar nicht bestraft worden. Die Begriffe Gewalt und Vergewaltigung sind in den vergangenen Jahrzehnten stark gedehnt worden. Jedes Eindringen in den Körper einer Person, an beliebigen Stellen, auch ohne physische Gewalt, kann seit 2016 als Vergewaltigung gewertet werden, wenn keine eindeutige Einwilligung vorliegt.
Diskussion um die juristische Ausdehnung des Vergewaltigungsbegriffs entfacht Vertrauenskrise
Die juristische Ausdehnung des Vergewaltigungsbegriffs auch auf solche Fälle ungeklärter Freiwilligkeit ist jedoch problematisch, wie die Aufregung zeigt. Es ist richtig, die Ausnutzung von Trunkenheit für sexuelle Zwecke zu bestrafen.
Aber warum dehnt man dafür den Vergewaltigungsbegriff so, dass er nur noch wenig mit dem alltäglichen Verständnis zu tun hat? Wenn die Rechtskategorien sich zu weit vom gewöhnlichen Verständnis entfernen, führt das unvermeidlich zu Missverständnissen, die das Vertrauen in die Justiz erschüttern.
Mit präzisen Begriffen, die nah am gewöhnlichen Verständnis bleiben, wäre das zu vermeiden. Unsere Autorin ist Philosophie-Professorin an der Ruhr-Universität Bochum. Sie wechselt sich hier mit der Pflanzenbiologin Petra Bauer und der Biochemikerin Birgit Strodel ab.
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