Loveparade-Katastrophe: Ein Polizei-Seelsorger erinnert sich

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Loveparade-Katastrophe: Ein Polizei-Seelsorger erinnert sich

Am 24. Juli 2010 ereignete sich eine der größten Katastrophen in der deutschen Veranstaltungsgeschichte: die Loveparade-Katastrophe in Duisburg. An diesem Tag kamen bei einer Massenpanik während der Loveparade 21 Menschen ums Leben und über 650 wurden verletzt. In diesem Artikel erinnert sich ein Polizei-Seelsorger, der damals vor Ort war, an die tragischen Ereignisse und beschreibt die Auswirkungen auf die Beteiligten und die Stadt Duisburg. Er teilt seine Erfahrungen und Erkenntnisse, die er während und nach der Katastrophe sammelte, und wirft einen Blick zurück auf die Folgen der Tragödie.

Die Loveparade-Katastrophe: Ein Polizei-Seelsorger erinnert sich

Herr Bredt-Dehnen, Ihre 13 Jahre als Polizei-Seelsorger begannen mit einer der größten Katastrophen in der Geschichte Nordrhein-Westfalens: dem Loveparade-Unglück am 24. Juli 2010. Wie erinnern Sie sich daran zurück?

Die Nachbetreuung der Polizistinnen und Polizisten war unsere Aufgabe. Es gab zunächst vor allem Gruppengespräche mit Kräften der Hundertschaften, Einzelgespräche kamen in der Regel erst sehr viel später. Das Ereignis war so groß, so umfassend, so traumatisierend – jeder kannte irgendjemanden, der betroffen war.

Trauma und Schuld: Bredt-Dehnen erinnert sich an seine Rolle

Trauma und Schuld: Bredt-Dehnen erinnert sich an seine Rolle

Zwei Themen haben die meisten belastet: Zum einen die eigene Bedrohungslage in der Notsituation; etwa bei den Absperrungen, den Polizeiketten, die gebildet wurden. Es gab viele Einsatzkräfte, die unter Absperrgittern lagen oder in der Menge eingequetscht wurden, die selbst Todesangst hatten.

Zum anderen, und das ist oft viel schwerer aufzuarbeiten, ging und geht es um Schuld. Polizisten, die in einigen Fällen bis heute denken: Wir sind schuld, dass die Menschen gestorben sind, wir sind schuld, dass wir nicht allen helfen konnten, dass wir diesen einen Arm loslassen mussten und die Person in der Masse gestorben ist.

Wie begegnet man dem?

Wie begegnet man dem?

Seelsorge bedeutet zuhören, da sein, beraten, nicht bewerten. Man findet im Gespräch gemeinsam raus, ob professionelle, therapeutische Hilfe nötig ist, Seelsorger selbst sind keine Therapeuten.

In manchen Fällen kann das sehr lange dauern, bis Einsatzkräfte kommen, um zu erzählen, was sie erlebt haben. Manchmal haben sie es jahrelang in sich verkapselt – aus Selbstschutz oder Schuldgefühlen.

Von der Gemeinde zur NRW-Polizei

Von der Gemeinde zur NRW-Polizei

Herr Bredt-Dehnen war 24 Jahre lang Gemeindepfarrer mit Schwerpunkten im Bereich Seelsorge, Gottesdienst und Öffentlichkeitsarbeit in Wuppertal. Dort war er auch viele Jahre Beauftragter des Kirchenkreises für Migrationsarbeit.

Im Juli 2010 wurde er Leitender Landespfarrer für Polizei-Seelsorge der rheinischen Landeskirche. Nach knapp 13 Jahren Dienst wurde er im vergangenen Jahr mit 65 Jahren in den Ruhestand verabschiedet.

Die Flutkatastrophe im Ahrtal

Die Hilfsstrukturen, die nach der Loveparade eingerichtet wurden, waren nicht wirklich institutionalisiert, das wurde schnell klar. Normalerweise passiert eine Katastrophe – ein schwerer Verkehrsunfall, eine Geiselnahme – an einem Ort. Bei der Flut waren es zwanzig oder dreißig verschiedene.

Das führte dazu, dass in der Notlage unklar war: Wer betreut wo? Wo ist Hilfe nötig? Auch da wurden anschließend Videoformate und Konzepte entwickelt, die besser auf solche Situationen vorbereiten.

Die Rolle der Kirche

Die Lebensrealität der Polizisten ist auch eine andere, viele haben ein gebrochenes Verhältnis zur christlichen Kirche, sind gar nicht religiös oder gehören anderen Konfessionen an. Durch die Arbeit erleben viele aber, was Kirche auch ist.

Wir bringen eine spirituelle Dimension mit, die für viele Polizistinnen und Polizisten wichtig ist. Als Pfarrer hat man schon in der Regel viel mit Tod und Elend zu tun.

Das schlimmste Ereignis

Der Suizid eines Polizisten, den ich gut kannte und der auch hunderte Kolleginnen und Kollegen schwer belastet hat. Er war ein Urgestein, überall bekannt und beliebt. Mit seinem Tod hatte niemand gerechnet.

Auch wenn der Suizid in diesem Fall nicht mit seiner Arbeit als Polizist zusammenhing, ist das ein großes Thema, dem sich auch die Polizei-Seelsorge seit 30 Jahren widmet, weil es schon eine besonders gefährdete Berufsgruppe ist.

Die schönen Seiten der Arbeit

Es gibt sehr viel auf der Haben-Seite. Ich hatte die Möglichkeit, die Arbeit gegen „Kinderpornografie“ mit nach vorne bringen zu können. Die psychosoziale Unterstützung in der Polizei mit anderen zusammen stärken zu dürfen.

Die Begegnungen, die Gespräche und das Feedback der Menschen, die sagten: Allein die Möglichkeit, dass ich dich anrufen kann, hat mir geholfen. Mit manchen Kolleginnen und Kollegen aus der Polizeiarbeit bin ich bis heute in Kontakt.

Warum ist Polizei-Seelsorger ein Bereich, der immer unverzichtbarer wird?

Die Polizei wird vor immer größere Herausforderungen gestellt. Das gestiegene Gefühl der Unsicherheit, während in Wahrheit Gewaltkriminalität in vielen Bereichen statistisch sinkt, ist ein riesiges Problem.

Auch durch die sozialen Medien und politische Parteien, die diese Themen entgegen der Fakten nach vorne schieben, hat sich ein Klima der Angst entwickelt. Die Arbeit der Polizei wird immer mehr zum Anker der Demokratie und kommt immer häufiger bei Großdemonstrationen und Gewaltvorfällen zum Einsatz.

Da bleibt es wichtig, die psychischen Belastungen nicht zu ignorieren.

Fazit

Polizei-Seelsorge als besondere Form der psychosozialen Unterstützung muss eine Kernaufgabe der Kirche sein. Sie darf den Prozess ihrer Verkleinerung nicht erleiden, sondern muss ihn positiv gestalten.

Mit der Seelsorge erreicht sie Menschen, die mit Kirche vielleicht sonst nicht viel zu tun hätten. Und im Falle der Polizei Menschen, die mit ihrer Arbeit die Demokratie aufrechterhalten.

Klaus Schmitz

Ich bin Klaus, ein Experte und leidenschaftlicher Autor für Real Raw News, einer digitalen Generalistenzeitung mit Schwerpunkt auf nationalen Nachrichten in Deutschland. Meine Leidenschaft gilt der Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Bereichen Kultur, Wirtschaft und Sport. Ich bin stets bestrebt, unseren Lesern fundierte und aktuelle Informationen zu liefern, die sie informieren und zum Nachdenken anregen. Mit meiner langjährigen Erfahrung im Journalismus und meiner Liebe zur deutschen Sprache bin ich stolz darauf, Teil des Teams von Real Raw News zu sein.

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