- Solinger Anschlag: Doppeldeutige Haltung der Islamverbände
- Solinger Anschlag: Doppeldeutige Haltung der Islamverbände
- Islamverbände: Doppeldeutige Reaktionen nach Anschlag in Solingen
- Solinger Anschlag: Islamisten und Muslime reagieren unterschiedlich
- Trauer und Zögern: Islamverbände vermeiden islamistischen Bezug nach Anschlag in Solingen
Solinger Anschlag: Doppeldeutige Haltung der Islamverbände
In der NRW-Hauptstadt Solingen ist am vergangenen Wochenende ein anschlag verübt worden, bei dem zwei Menschenleben verloren gingen. Die Islamverbände in Deutschland haben sich mit gemischten Reaktionen zu dem Vorfall geäußert. Während einige Verbände den Anschlag eindeutig verurteilten, zeigten andere eine doppeldeutige Haltung, die von Kritikern als mangelnde Distanz zum Extremismus interpretiert wird. Diese Ambivalenz in der Reaktion der Islamverbände wirft Fragen auf über die Rolle der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland und ihre Verantwortung bei der Prävention von Extremismus.
Solinger Anschlag: Doppeldeutige Haltung der Islamverbände
Die syrische Gemeinde in Solingen hat schnell reagiert. Als klar war, dass ein aus Syrien stammender Islamist das Attentat auf unbeteiligte Menschen begangen hatte, gehörten deren Vertreter mit zu den ersten Trauernden, die Blumen und Kerzen an der Stelle der Morde niederlegten.
Ebenfalls fanden sich viele Muslime dort ein, um ihr Entsetzen und ihre Solidarität mit den Opfern zu zeigen. Große Betroffenheit zeigte auch die liberale Ahmadiyya-Gemeinde bei ihrem jährlichen Treffen in Mendig.
„Das war fürchterlich und vor allem hat es uns betrübt, weil es im Namen des Islam geschehen sein soll, durch den sogenannten Islamischen Staat (IS). Deshalb ist es für uns doppelt traurig, sagte der Imam Scharjil Khalid dem SWR.
Islamverbände: Doppeldeutige Reaktionen nach Anschlag in Solingen
Zum größten Treffen der muslimischen Gläubigen in Europa, das einmal im Jahr stattfindet, kamen rund 55.000 Menschen auf den ehemaligen Flugplatz der Bundeswehr-Heeresflieger. So eindeutig waren die Reaktionen der großen muslimischen Gemeinden nicht.
Pflichtschuldig verurteilten der Zentralrat der Muslime in Deutschland und Burhan Kesici, der Vorsitzende des Islamrats, den Anschlag in Solingen. Allerdings erwähnte der Zentralrat in seiner Stellungnahme den islamistischen Hintergrund mit keiner Silbe.
Kesici warnte im „Deutschlandfunk“ vor allem vor einer Stigmatisierung der Muslime. Zu Recht, aber das kann erst der zweite Gedanke sein.
Solinger Anschlag: Islamisten und Muslime reagieren unterschiedlich
Die der türkischen Regierung nahestehende Türkisch-Islamische Union Ditib, die unzählige Moscheen in Deutschland unterhält, sowie der Koordinationsrat der Muslime übergingen auf ihren jeweiligen Internetseiten das Attentat.
Im Verhältnis dazu fällt schon auf, dass die muslimischen Gemeinden gern und häufig zu den vielen Toten im Gaza-Krieg oder gegen antimuslimische Diskriminierung ihre Stimme erheben.
Eine Ausnahme bildet ausgerechnet die als militant geltende türkisch-muslimische Vereinigung Milli Görüs. „Wer wahllos unschuldige Menschen mit Tötungsabsicht angreift, hat jedweden menschlichen und moralischen Kompass verloren“, erklärte sie in ihrer Pressemitteilung am Montag nach dem schrecklichen Anschlag.
Trauer und Zögern: Islamverbände vermeiden islamistischen Bezug nach Anschlag in Solingen
Für den aus einer muslimischen Familie stammenden arabischen Israeli Ahmad Mansour ist das nicht verwunderlich. „Die meisten muslimischen Verbände versagen bei der Aufgabe, die islamistische Radikalisierung junger Männer zu verhindern. Sie sagen dazu nichts in den Freitagsgebeten oder auf ihren religiösen Veranstaltungen“, sagt der gelernte Psychologe und Publizist, der sich in Deutschland sehr um die Integration von Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten kümmert.
Er kommt zu dem ernüchternden Schluss: „Die muslimischen Verbände sind derzeit kein Partner im Kampf gegen den Islamismus.“
Starker Tobak, den die Verbände zurückweisen. „Fakt ist, dass sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland insbesondere im Rahmen seiner Jugendarbeit in den Moscheegemeinden intensiv mit den Themen Radikalisierungsprävention, Rassismusbekämpfung und interreligiösem Dialog auseinandersetzt“, sagte der ZMD auf Anfrage der Rheinischen Post.
Milli Görüs will das Gedenken an die Opfer des Solinger Anschlags sogar in die Freitagsgebete aufnehmen. „Die fürchterliche Tat wird in der Freitagspredigt deutschlandweit behandelt“, versprach die Organisation, die laut Verfassungsschutz eine politische und gesellschaftliche Ordnung auf Grundlage islamischer Normen und der Scharia anstrebt.
Im Bericht des baden-württembergischen Verfassungsschutzes 2023 heißt es dazu: „Die Ordnung ist mit den Prinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar.“
Erstaunlich, dass ausgerechnet dieser Verband am deutlichsten den islamistischen Anschlag verurteilt.
Es ist fast ein gespaltenes Bild. Die offiziellen Vertreter der Muslime bekunden zwar ihre Trauer, aber vermeiden jeglichen Bezug zum Islam, als ob auch die Verurteilungen von Irrwegen in dieser Religion nicht statthaft sei.
Der Islamismus-Kritiker Mansour verweist darauf, dass eine Ablehnung der radikalen Strömungen für gemäßigte Muslime mitunter gefährlich sein könnte. Deshalb die Zurückhaltung.
Umgekehrt würden viele Angehörige des Islam in Deutschland gerade eine solche Haltung erwarten. Denn ein Großteil der Muslime ist besorgt, dass sich die Wut über den Anschlag auch gegen sie richten könnte, sie also unberechtigterweise in Mithaft genommen würden.
Auch der deutsche Staat, der zum Teil eng mit den muslimischen Verbänden zusammenarbeitet, sei Teil des Problems. „Viele Muslime, die den Terror im Namen des Islam verabscheuen, sind sehr verärgert über die Untätigkeit des deutschen Staats. Der wird in ihren Augen viel zu wenig präventiv tätig gegen Terror und islamistische Tendenzen“, meint Mansour.
Es ergibt sich also ein zwiespältiges Bild. Die Trauer und das Entsetzen sind bei den Muslimen in ähnlicher Weise vorhanden wie bei den anderen Menschen in Deutschland. Die Konsequenz im Kampf gegen den Islamismus ist dagegen nach Ansicht von Kritikern bei den etablierten Verbänden nicht so ausgeprägt.
Der Anschlag von Solingen, so schrecklich er ist, könnte der Anlass für eine Neubestimmung auf beiden Seiten sein: Ernsthaft und konsequent über Islamismus und undemokratische Elemente im Islam nachzudenken und sie entschieden bekämpfen.
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