Die Stadt Mönchengladbach setzt ein wichtiges Signal gegen Alltagsrassismus und lädt die renommierte Autorin Ottilie Wildermuth ein, die Stadt zu besuchen. Die 19. Jahrhunderts Autorin ist bekannt für ihre engagierten Schriften gegen Rassismus und Diskriminierung. Mit dieser Initiative will die Stadt Mönchengladbach ein Bekenntnis gegen Rassismus und Diskriminierung ablegen und dazu beitragen, ein Klima der Toleranz und des Respekts in der Stadt zu fördern. Wir freuen uns auf die Begegnung mit Ottilie Wildermuth und die Gelegenheit, gemeinsam gegen Alltagsrassismus einzutreten.
Ottilie Wildermuths Botschaft: Rassismus im Alltag und die Notwendigkeit der Selbstreflexion
Neulich habe ich in der Bibliothek meiner Kirchengemeinde ein Buch von Ottilie Wildermuth gefunden. Es stammt aus der ehemaligen Mädchenbücherei der Evangelischen Friedenskirche in Rheydt. Die Autorin, geboren 1817 und gestorben 1877, schreibt von einer Begebenheit in Afrika.
Kolonialherren aus Europa haben das Land in Besitz genommen, die schwarze Bevölkerung versklavt, und nun dienen die einen und herrschen die anderen. Die Geschichte handelt von einer schwarzen „Dienerin“, die unter Einsatz ihres Lebens die beiden Kinder ihrer „Herrschaft“ rettet, weil sie gelernt hat, dass Gott die Kinder liebt.
Reich bebildert erzählt uns das Buch, vom einfachen Gemüt der „Negerin“ (so der in dem Buch verwendete rassistische Begriff) und von ihrer fröhlichen Grundgestimmtheit, von ihrer Unfähigkeit Zusammenhänge zu verstehen und ihrer Freude daran, von ihrer weißen Herrschaft Lenkung und Leitung zu bekommen. Und natürlich wird uns ihre kindliche Frömmigkeit vorgestellt, die zwar ungelenk, aber entschieden tut, was die Umstände erfordern – damit sie am Ende in den Himmel kommt.
Treu ist sie nämlich auch – weil sie erkannt hat, dass die weiße Herrschaft ihr Gutes tut, mit dem Wort Gottes. Ehrlich gesagt: unerträglich für heutige Leser!
Inzwischen habe ich mal nachgesehen: Ottilie Wildermuth war eine der meistgelesenen Autorinnen ihrer Zeit, quer durch alle Gesellschaftsschichten lagen ihre Werke auf dem Wohnzimmertisch. Das – man muss es sich in Erinnerung rufen – war für eine Frau des 19. Jahrhunderts außergewöhnlich.
Wenn ich die alte Geschichte aus Afrika so lese, dann frage ich mich, wie viel von diesen Bildern und Gedanken aus vergangenen Zeiten in unserem kollektiven Bewusstsein hängen geblieben sind – nicht nur bezogen auf diese Autorin, sondern auch mit Blick auf eine gesellschaftliche Grundhaltung, die wir überwunden zu haben glauben. Möglicherweise merken wir das gar nicht immer, aber im Alltagsrassismus bricht es dann doch auf.
Neulich war ich in einem kirchlichen Gemeindehaus zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen. Im Eingang entdecke ich einen Mann mit schwarzer Hautfarbe, der zuschaut, wie die Gäste hereinkommen. Aha, denke ich. Der Küster! Und dann habe mich auch noch bedankt, dass er alles so schön vorbereitet hat… Später ist er mir dann noch einmal begegnet: als Referent des Abends. Ohne Worte!
Zu Ehren von Ottilie Wildermuth, die sich ihr Leben lang für Mädchenbildung und gegen die Verarmung von Frauen eingesetzt hat, sind Straßen und Schulen benannt. Es gibt ein Denkmal in Tübingen. Ich finde nicht, dass man das ändern sollte, es gibt uns Anlass über unsere Bilder und Prägungen nachzudenken.
Martina Wasserloos-Strunk ist Leiterin der Philippus Akademie im evangelischen Kirchenkreis.
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