Thousanden von Verfahren zu Cannabis-Delikten in Nordrhein-Westfalen werden neu gewertet
In einer bedeutenden Entwicklung im Bereich der Strafjustiz in Nordrhein-Westfalen werden Tausenden von Verfahren zu Cannabis-Delikten neu bewertet. Dieser Schritt folgt einer Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen und soll dazu beitragen, die Justizbehörden von administrativen Aufgaben zu entlasten. Durch diese Neubewertung sollen Fälle, die bislang als Straftaten galten, unter Umständen vollständig fallen gelassen werden können. Die Initiative wird von Rechtsexperten und Bürgerrechtsgruppen begrüßt, die eine Liberalisierung der Cannabis-Politik fordern. In den kommenden Wochen werden die Details des Verfahrens bekannt gegeben.
Justiz NRW arbeitet auf tausenden Fällen von Cannabis-Delikten neu ab
Rund ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Cannabis-Legalisierung hat die Justiz in Nordrhein-Westfalen mehr als 86.000 Altfälle weitgehend abgearbeitet. Im Zuge der Legalisierung gibt es eine Amnestie für Menschen, die zuvor wegen Cannabis-Besitzes in kleineren Mengen strafrechtlich verfolgt wurden.
Nach Angaben des Landesjustizministeriums wurden in NRW bis Ende April mehr als 9.000 solcher Fälle identifiziert - dabei geht es um Haft- oder Geldstrafen wegen Cannabis-Delikten, die nach dem neuen Gesetz nicht mehr strafbar sind. Diese Strafen wurden ganz oder teilweise aufgehoben.
Seit dem 1. April dieses Jahres dürfen Erwachsene über 18 Jahren unter anderem bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis mit sich zu führen. Erlaubt ist seitdem auch der Anbau von bis zu drei Pflanzen gleichzeitig in Privatwohnungen, aufbewahren darf man bis zu 50 Gramm Cannabis. Seit 1. Juli konnten zudem nicht-kommerzielle Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern an den Start gehen.
Auch nach der händischen Prüfung zehntausender Verfahren dürfte das Cannabisgesetz die Justiz NRW aber noch über einen längeren Zeitraum erheblich belasten. „Die Amnestie-Regelung wird auch über den zum 1. April 2024 eingetretenen Straferlass hinaus Folgeaufwand verursachen“, teilte das Justizministerium in Düsseldorf mit.
In Fällen, in denen neben dem jetzt sanktionsfreien Umgang mit Cannabis auch wegen anderer Delikte verurteilt wurde, müssten die Gerichte nun die Strafen neu festsetzen. „Im Hinblick darauf haben die Staatsanwaltschaften die Urteile akribisch auszuwerten und die Akten den Gerichten vorzulegen“, erläuterte das Ministerium. „Zudem dürften mit deren Entscheidungen vielfach die Beschwerdegerichte befasst werden.“
Darüber hinaus haben Verurteilte ab 2025 die Möglichkeit, bei den Vollstreckungsbehörden zu beantragen, Einträge aus dem Führungszeugnis löschen zu lassen. Auch das werde auf dem Tisch der Staatsanwaltschaften und Gerichte zusätzlich zu ihren weiteren Aufgaben landen.
Fast jeder dritte Deutsche nimmt seit der Legalisierung mehr Cannabiskonsum in seinem Umfeld wahr, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der dpa ergeben hatte. Eine knappe Mehrheit von 55 Prozent hält die Legalisierung rückblickend für falsch.
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