Todesfall des Komponisten Wolfgang Rihm

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Todesfall des Komponisten Wolfgang Rihm

Die Musikwelt trauert um Wolfgang Rihm, einen der bedeutendsten deutschen Komponisten der Gegenwart. Der 1952 in Karlsruhe geborene Künstler verstarb am 20. Februar 2023 im Alter von 70 Jahren. Rihm war ein Vorreiter der Neuen Musik und hat mit seinem Werk die Musikszene nachhaltig geprägt. Seine Kompositionen zeichnen sich durch ihre Vielgestaltigkeit und Emotionalität aus und reichten von Orchesterwerken über Opern bis hin zu Kammermusik. Mit seinem Tod verliert die Musikwelt einen großen Künstler und Vordenker, der Generationen von Musikern und Komponisten inspiriert hat.

Wolfgang Rihm: Ein Genie der Musik, das uns bis zum Schluss überraschte

Er konnte einen auf Glatteis führen, foppen, hinters Licht führen – wenn er vor unseren Ohren mit Musik spielte, mit Anspielungen, Zitaten und geborgten Klängen. Manchmal hielt er uns Zückerchen hin und testete unser Assoziationsvermögen. Der Komponist Wolfgang Rihm war ein geistig extrem fordernder Zeitgenosse. Man war seinem Intellekt nicht immer gewachsen. Doch wenn man einen Test bestand, fühlte man sich königlich.

Sein Konzert in G ist so ein Praxis- und Theorietest. Es steht gar nicht in G-Dur, sondern man muss das G auf Italienisch lesen: Concerto in Sol. Dieses Sol ist sozusagen die fünfte Stufe eines früheren und in vielen Sprachen noch heute üblichen Tonsystems: Do Re Mi Fa Sol La Si Do. Aber Sol steht auch für die argentinische Cellistin Sol Gabetta. Sie hat das Opus uraufgeführt, und sie drängt sich mit ihrem allerersten Ton in einen Spalt, den ihr zuvor das Horn öffnete, das die Töne Fis und Gis spielt – dazwischen liegt das G, das Sol. Das ist ein Trick, den man nur begreift, wenn man die Noten vor sich hat. Aber dann ist es köstlich. Ein echter Rihm.

Todesfall des Komponisten: Wolfgang Rihm – ein Leben lang Musik und Kunst

Todesfall des Komponisten: Wolfgang Rihm – ein Leben lang Musik und Kunst

Wolfgang Rihm ist jetzt im Alter von 72 Jahren in Ettlingen bei Karlsruhe gestorben, in seiner Heimat also, die ihm immer der Ort des größten Vergnügens und der höchsten Beruhigung war. Er brauchte diese Rückzugsmöglichkeit, weil er halt so sagenhaft produktiv war. Er zählte zu den meistgespielten zeitgenössischen Komponisten Europas. Rihm hinterlässt ein Schaffen von weit mehr als 500 Werken, darunter Opern und große Orchesterwerke, Kammermusik, Musiktheater und Vokalstücke.

Seinen Durchbruch feierte Rihm 1974 auf den Donaueschinger Musiktagen mit der Uraufführung des Orchesterstückes Morphonie. Zu seinen zentralen Werken zählen die Opern Die Eroberung von Mexico, Die Hamletmaschine, Dionysos, Jakob Lenz, Proserpina und Das Gehege sowie Werke aus seinem Orchesterrepertoire. Er schrieb einen virtuosen, reifen Stil, der ihn in geistige Verwandtschaft zu Hans Werner Henze stellte. Zu den Neutönern, die ihre Hörer komponierend aus dem Saal trieben, zählte er nie.

Adiós a un maestro: Wolfgang Rihm, ein Künstler, der uns bis zum Schluss überraschte

Untrennbar verbunden war Rihm seit mehr als 40 Jahren mit den Salzburger Festspielen. Dort fanden mehrere Uraufführungen von Rihm-Werken statt, erstmals 1982. Das Festival engagierte ihn zudem für Auftragswerke und widmete ihm mehrere eigene Reihen mit Konzerten. Mit unerschöpflicher Fantasie, vitaler Schaffenslust und scharfer Selbstreflexion hat Wolfgang Rihm ein gewaltiges Oeuvre geschaffen, teilte der Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, mit. Er war ein großer Vor- und Nachdenker über Musik – ein Komponist, den ich immer bewundert habe.

Seine Interpreten waren bei aller Bewunderung immer auch betrübt, was Rihm ihnen abverlangte. Mojca Erdmann, die famose Sopranistin, musste 2010 in Salzburg die weibliche Hauptrolle in Rihms Nietzsche-Oper Dionysos schreiben. Eine absurde Partie. Doch niemand hörte am Uraufführungsabend die Plage, die jeder anderen die Ortung der schwindelerregend hohen und wie wild über die Notenlinien gewürfelten Töne bereitet hätte; keiner vernahm die Mühe, die das Lernen und Memorieren solcher Partien bereitet.

Rihm war kulturpolitisch enorm engagiert. Er saß im Präsidium des Deutschen Komponistenverbands, des Deutschen Musikrats, er war Kuratoriumsmitglied der Heinrich-Strobel-Stiftung und Mitglied des Gema-Aufsichtsrates. Bis zuletzt war er auch als Künstlerischer Leiter der Akademie in die Planungen des Lucerne Festivals eingebunden. Rihm liebte die Strippen. Aber er konnte seine Musik auch schon mal von der Leine lassen – und dann begriff man, dass er womöglich der letzte Romantiker seiner Zunft war. Wir verneigen uns.

Heidi Schulze

Ich bin Heidi, eine Journalistin bei der Webseite Real Raw News. Unsere digitale Generalistenzeitung konzentriert sich auf nationale Nachrichten in Deutschland, sowie auf Themen wie Kultur, Wirtschaft, Sport und aktuelle Ereignisse. Als Teil des Teams von Real Raw News ist es meine Leidenschaft, fundierte und relevante Berichterstattung zu liefern, um unsere Leser stets auf dem neuesten Stand zu halten. Mit meiner Erfahrung und meinem Engagement für Qualitätsjournalismus strebe ich danach, die Vielfalt der Nachrichtenlandschaft in Deutschland abzubilden und wichtige Themen zu beleuchten.

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