Untersuchung: Überschießender Fernsehkonsum kann das Motorische Lernen fördern

Untersuchung: Überschießender Fernsehkonsum kann das Motorische Lernen fördern

Die Ergebnisse einer aktuellen Studie haben zu einem überraschenden Befund geführt: Ein überschießender Fernsehkonsum kann tatsächlich das Motorische Lernen von Kindern fördern. Dieser Befund widerspricht den landläufigen Vorstellungen, wonach Fernsehen einen negativen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern hat. Die Forscher haben festgestellt, dass die visuellen Reize und die interaktiven Elemente in Fernsehsendungen das Lernen von motorischen Fähigkeiten wie zum Beispiel der Koordination und der Reaktion unterstützen können.

Fernsehen: Überschießender Konsum kann das Motorische Lernen fördern

„Fernsehen ist eine Art geistige Neutronenbombe. Das Gehirn wird weggestrahlt, aber der Kopf bleibt stehen.“ So sagte es mal der Komiker Oliver Kalkofe, und viele würden ihm wohl zustimmen. Doch eine aktuelle Studie zeigt: Selbst exzessiver TV-Konsum ist für unser Gehirn besser als sein Ruf.

Ein Forscherteam des Universitätsklinikums Jena brachte 74 junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 30 Jahren für 5 Tage in einem Hostal unter, wo sie in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Die eine wurde angehalten, fünf Tage lang acht Stunden täglich vor dem Fernseher zu sitzen, die andere sollte hingegen komplett darauf verzichten.

TV-Konsum: Studie zeigt, dass Fernsehen nicht automatisch zum dümmer macht

Die Fernseh-Nutzer der Studie waren bei der Auswahl ihres TV-Programms weitgehend frei. „Sie durften gucken, was sie wollten“, betont Nürnberger. „Außer Pornografie und Horror.“ Am Ende lief es darauf hinaus, dass sie meistens populäre Serien schauten, was man wegen ihres relativ jungen Alters erwarten durfte.

Bei einem weiteren Test überprüften die Forscher außerdem die visuelle Informationsverarbeitung der Probanden, wie schnell sie also beispielsweise auf die Präsentation einer bestimmten Zahl reagierten oder wie viele Zahlen sie sich aus einer sechsteiligen Zahlenreihe merken konnten. Auch darin schnitten die exzessiven TV-Konsumenten deutlich besser ab. Ihr visuelles Kurzzeitgedächtnis etwa, also ihre Fähigkeit zur kurzfristigen Speicherung visueller Inhalte, war um 25 Prozent besser als in der Kontrollgruppe.

Fernsehen: Exzessiver TV-Konsum kann das visuell-motorische Lernen unterstützen

Die Lernerfolge ließen sich auch im Gehirn nachweisen, per funktionellem MRT. Mit diesem bildgebenden Verfahren kann man den Sauerstoffverbrauch und Verteilung der Aktivitäten im Gehirn beobachten – und dabei offenbarten die TV-dauerbeanspruchten Hirne eine deutlich bessere Verknüpfung zwischen ihrem visuellen und motorischen Netzwerk.

Ausdauerndes Fernsehen macht also nicht zwangsläufig dumm. Es kann sogar das visuell-motorische Lernen unterstützen. Was nicht nur für das Schreibmaschine-Schreiben, sondern auch für den Sport bedeutsam sein kann, der ja ansonsten beim TV-Konsum eher zu kurz kommt.

Ob sich dadurch auch ein Musikinstrument besser erlernen lässt – Nürnberger kann es sich zumindest vorstellen: „Beim Spielen von Klavier und Violine geht es ja nicht nur um akustische, sondern auch um visuelle Signale.“

Man denke nur an das Lesen der Noten, und weniger versierte Musiker müssten ja noch auf ihre Finger schauen. Nichtsdestoweniger will Nürnberger seine Studienergebnisse nicht als Aufforderung zum ungehemmten Fernsehen verstanden wissen: „Es kommt schlichtweg auf die Menge der konsumierten TV-Einheiten an. Wer das viele Stunden am Tag betreibt, vernachlässigt die Bewegung und seine sozialen Kontakte.“

Was aus medizinischer wie aus hirnphysiologischer Sicht ein großer Nachteil sei. „Wir können aber nicht exakt sagen, ab welcher Menge der Nachteil überwiegt“, betont Nürnberger. Außerdem komme es letzten Endes auf den Inhalt der TV-Sitzungen an. „Bei Talkshows bekommt das visuell-motorische Lernen deutlich weniger Input als bei einem Action-Film“, erklärt der Neurologe.