Frankreichwahlen: Der Herbst des Linkspatriarchen
Die wahlen in Frankreich haben ein Ende gefunden, und die Resultate sind eindeutig: der Linkspatriarch, Jean-Luc Mélenchon, hat seine Position als Führungsfigur der französischen Linken festigt. Die Wähler haben sich für den erfahrenen Politiker ausgesprochen, der sich als Vordenker einer sozial-ökologischen Politik positioniert. Doch die Wahl war auch von Polarisierung und Radikalisierung geprägt. Die Rechte hat sich gestärkt, und die Extreme haben ihre Stimmenanteile erhöht. In diesem Kontext wird Mélenchons Führung in den kommenden Monaten herausfordernd sein.
Frankreich in Aufruhr: Linkspatriarch Mélenchon setzt sich durch
Jean-Luc Mélenchon trat bereits sechs Minuten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses vor seine jubelnden Anhänger am Pariser Stalingrad-Platz. Mit seinem Auftritt markierte der starke Mann der Linkspartei La France Insoumise (LFI) seinen Führungsanspruch im Linksbündnis, das die zweite Runde der Parlamentswahlen am Sonntag gewonnen hatte.
Wie immer zeigte sich der ehemalige Präsidentschaftskandidat dabei aggressiv und kompromisslos. „Wir werden unser Programm umsetzen, unser ganzes Programm“, kündigte der 72-Jährige an. Gespräche mit dem Lager von Präsident Emmanuel Macron kämen nicht in Frage.
Dabei hat die Neue Volksfront (NFP), der neben LFI noch Sozialisten, Grüne und Kommunisten angehören, keine absolute Mehrheit im neuen Parlament. Dennoch sieht sich Mélenchon schon als neuer Regierungschef. Er fühle sich dazu in der Lage, auch wenn er sich nicht aufdränge, sagte er.
Umstrittener Führer
Innerhalb der NFP ist Mélenchon umstritten. Denn seine Partei LFI ist zwar nach wie vor die stärkste Kraft der Allianz, bekommt aber seit den Europawahlen Konkurrenz von den Sozialisten. Der sozialistische Spitzenkandidat, Raphaël Glucksmann, hatte am 9. Juni rund 14 Prozent der Stimmen geholt und damit deutlich vor der LFI-Kandidatin gelegen.
Vergangene Woche sprach Glucksmann vom Ende der „kulturellen, politischen und ideologischen Vormachtstellung von Jean-Luc Mélenchon über die französische Linke“. Komplizierte Regierungsbildung in Frankreich erwartet.
Auch in den eigenen Reihen ist der cholerische Ex-Sozialist umstritten, der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen 2022 rund 22 Prozent der Stimmen bekommen hatte. Der Abgeordnete François Ruffin kehrte LFI drei Tage vor der Stichwahl den Rücken, da er Mélenchons abschreckende Wirkung auf seine Wählerinnen und Wähler fürchtete.
Weitere Abgeordnete brachen ebenfalls mit dem Übervater der Linken, der sie wegen interner Kritik nicht als Kandidaten aufgestellt hatte.
Kontroverser Politiker
„Schnauze zu, Frau Merkel“ twitterte Mélenchon 2014, als die Bundeskanzlerin von Frankreich stärkere Reformanstrengungen forderte. Der EU-Gegner zeigte auch Verständnis für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, als dieser 2014 die Krim annektierte und 2016 Syrien angriff.
Seine blinde Putin-Treue endete erst, als Russland 2022 die Ukraine überfiel. Im Europawahlkampf sorgte er für Aufsehen, weil er den Antisemitismus, der in Frankreich seit dem Hamas-Angriff auf Israel stark zugenommen hat, als Randphänomen abtat.
Gleichzeitig weigerte er sich, den Hamas-Überfall als Terrorismus zu bezeichnen. An der Haltung von LFI zur Hamas zerbrach auch das Linksbündnis Nupes, das Mélenchon für die Parlamentswahlen 2022 geschmiedet hatte.
Die Französinnen und Franzosen misstrauen dem wortgewaltigen Redner ohnehin schon seit längerem. Laut einer im Mai gemachten Umfrage lehnen knapp 80 Prozent seiner Landsleute Mélenchon als Regierungschef ab. 61 Prozent halten ihn für „besorgniserregend“ und nur 28 Prozent bescheinigen ihm, die demokratischen Werte zu vertreten.
Dass er mit einem solchen Ruf Regierungschef wird, ist ausgeschlossen.
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