Nach dem Urteil in einem Fall von Gruppenvergewaltigung betont die Staatsanwaltschaft, dass Vergeltung nicht das Ziel sein soll. Das Gericht verurteilte die Täter zu langen Haftstrafen, um Gerechtigkeit für das Opfer zu schaffen. Die Gesellschaft steht vor der Herausforderung, angemessene Strafen zu verhängen, ohne dabei selbst zur Täterin zu werden. Es ist wichtig, dass die Justiz sich auf Prävention konzentriert und Opferschutz gewährleistet. Die Diskussion über sexuelle Gewalt muss weitergeführt werden, um das Bewusstsein zu schärfen und Veränderungen herbeizuführen. Die Entscheidung des Gerichts sendet ein starkes Signal an die Gesellschaft, dass solche Taten nicht toleriert werden und Konsequenzen haben werden.
Richterin Meier-Göring spricht im Spiegel über Rechtsstaat und digitale Hetze
Es kommt selten vor, dass Gerichte Urteile von Strafprozessen im Nachgang kommentieren. Anne Meier-Göring, Vorsitzende der Jugendstrafkammer am Landgericht Hamburg, sah jedoch offenbar die Notwendigkeit dafür. Drei Monate nach der Urteilsverkündung in einem langwierigen Vergewaltigungsprozess, der bundesweit viel Aufmerksamkeit erregte, gab sie dem „Spiegel“ nun ein ausführliches Interview. Es liest sich wie eine Lehrstunde über den deutschen Rechtsstaat und auch darüber, wie rechter Hass und digitale Hetze die Arbeit der Justiz erschweren.
Rechter Hass gegen Richterin nach Gruppenvergewaltigungsprozess
Am Ende habe AfD-Politiker Björn Höcke persönlich sie auf seiner Facebook-Seite zum Feindbild erklärt, sagt Meier-Göring, seit 25 Jahren Richterin in Hamburg, seit 15 Jahren im Bereich Jugendstrafrecht tätig. Weil fünf der zehn Angeklagten nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, rief der Fall früh reflexartig rechte Hetze auf den Plan. Diese gipfelte im Anschluss der Urteilsverkündung in unverhohlene Gewaltaufrufe gegen die Richterin; sie möge doch hoffentlich selbst Opfer einer Vergewaltigung werden, war eine der Aussagen in sozialen Medien.
Jugendstrafrecht: Urteile in langwierigem Vergewaltigungsprozess sorgen für Aufsehen
Obwohl es ein reiner Indizienprozess ist, gibt es am Ende klare Urteile: Für den jüngsten Angeklagten, damals 16, heute 19, hielt das Gericht eine Haftstrafe für zwingend nötig: zwei Jahre und neun Monate Jugendgefängnis. Vier andere Angeklagte erhalten eine Bewährungsstrafe von bis zu zwei Jahren, vier weitere eine Vorbewährung. Ein Angeklagter wurde freigesprochen. Das Gericht urteilte im Sinne eines modernen Sexualstrafrechts – initiiert nach Bekanntwerden der MeToo-Fälle.
Beweise für Gewaltanwendung fehlten
Spermaspuren von neun Männern konnten an der Kleidung des Opfers eindeutig ermittelt werden. Doch auch das ist nur ein Indiz. Beweise für Gewaltanwendung fehlten.
Vergeltung ist nicht das Ziel
Nach dem Jugendstrafrecht sind Haftstrafen – auch auf Bewährung – schon das schärfste Schwert, vergleichbar mit Freiheitsstrafen im Erwachsenenstrafrecht. Den Opfern, die womöglich ihr ganzes Leben lang mit den Folgen solcher Taten zu kämpfen haben, kann das kaum gerecht werden. Es gehe aber bei den jungen Männern nicht primär um Sühne, sondern um Erziehung.
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