Im aktuellen Arbeitsmarktbericht wird ein bemerkenswerter Trend sichtbar: Trotz des akuten Fachkräftemangels in vielen Branchen werden befristete Arbeitsverträge immer beliebter. Dieser Widerspruch zwischen dem Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern und der Zunahme von zeitlich begrenzten Verträgen wirft Fragen auf. Laut einer aktuellen Studie werden befristete Verträge von Unternehmen immer öfter als Instrument zur Flexibilisierung ihrer Belegschaft eingesetzt. Doch wie passt dies mit dem Fachkräftemangel zusammen, der in vielen Bereichen zu Problemen bei der Rekrutierung von qualifizierten Mitarbeitern führt?
Befristete Arbeitsverträge im Aufwind
Der Anteil der befristeten Arbeitsverträge ohne bestimmten Sachgrund an allen Befristungen ist trotz des vielbeklagten Fachkräftemangels im vergangenen Jahr weiter gewachsen. Sachgrundlose Befristungen hatten 2023 einen Anteil von 56,5 Prozent an allen befristeten Verträgen. Im Jahr 2021 waren es dagegen noch 55,7 Prozent.
Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Susanne Ferschl hervor. 1,3 Millionen Arbeitsverträge waren 2023 sachgrundlos befristet, etwa 55.000 weniger als 2021, wie das Ministerium schreibt, das sich auf Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit beruft.
Wertschätzung neuer Mitarbeitender sieht anders aus
Arbeitgeber nutzen befristete Arbeitsverträge verstärkt in konjunkturellen Schwächephasen, weil sie dann weniger sicher sind, ob sie jemand über längere Zeit weiterbeschäftigen können. Für Arbeitnehmer bedeutet die Befristung allerdings mehr Unsicherheit über die berufliche Zukunft.
Laut Mikrozensus waren 2022 trotz des Fachkräftemangels gut 3,2 Millionen Menschen oder 8,7 Prozent aller Beschäftigten nur befristet angestellt, etwa 100.000 mehr als im Vorjahr.
Gewerkschaft kritisiert hohe Zahl befristeter Stellen
Gewerkschaften und linke Parteien gehen davon aus, dass Arbeitgeber Befristungen auch unabhängig von der Konjunkturlage nutzen, um Beschäftigte leichter wieder loswerden zu können. Indiz dafür ist der anhaltend hohe Anteil der Befristungen bei Neueinstellungen von mehr als einem Drittel. Betroffen davon sind häufig Berufseinsteiger.
Die Linke fordert die Abschaffung sachgrundloser Befristungen. Der Anteil sachgrundlos befristeter Beschäftigung nimmt wieder zu. Das ist eine schlechte Nachricht, denn befristete Arbeitsverhältnisse sind mit niedrigeren Löhnen, mieseren Arbeitsbedingungen und mehr Unsicherheit für die Beschäftigten verbunden, sagte Linken-Politikerin Ferschl.
Die positiven Entwicklungen im öffentlichen Dienst werden gänzlich von den steigenden Befristungen in der Privatwirtschaft ausgeglichen. Das Versprechen im Koalitionsvertrag, nur beim Bund als Arbeitgeber die sachgrundlose Befristung zu bekämpfen, greift zu kurz. Die sachgrundlose Befristung ist ersatzlos zu streichen, so Ferschl.
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