Ob der Ganztag an der Grundschule gut ist oder schlecht, hängt von Glück und der Finanzlage der jeweiligen Gemeinde ab. In kaum einem anderen Bereich der Jugendhilfe seien die Unterschiede zwischen Standorten so groß, warnten Sachverständige den Vertretern der Landespolitik am Dienstag bei einer Anhörung im Landtag.
Die Finanzen spielen eine entscheidende Rolle. So sei in einer Gemeinde zwei- oder dreimal so viel Geld dafür da wie in einer anderen. Doch auch die Zusammenarbeit zwischen Lehr- und Ganztagskräften sei ein Problem. Dieses Zusammenwirken geschieht in der Praxis offenbar selten.
„Dazu bedarf es leider einer gesetzlichen Regelung, weil die letzten 21 Jahre gezeigt haben, dass es nicht reicht, einfach zu hoffen, dass es so getan wird“, sagte Ute Boeddinghaus vom Betriebsrat der Arbeiterwohlfahrt Ruhr-Mitte vor den Politikern aus Schul- und Familienausschuss des Landtags. „Es kommt immer wieder vor, dass Beschäftigte 60 bis 80 Kinder betreuen müssen. Die Qualität bleibt auf der Strecke“.
Das liege daran, dass es keine Standards für die pädagogische Arbeit gebe. „Man ist auf das Wohlwollen der Schulleitung angewiesen“, beklagte sie. „Für einen qualitativen Ausbau braucht es ein besseres Zusammenspiel der verschiedenen Akteure“, befand auch Markus Warnke, Geschäftsführer der Wübben Stiftung Bildung.
Ein Flickenteppich der guten und schlechten Angebote
Natürlich gebe es Beispiele für gute Zusammenarbeit. „Ich habe aber den Eindruck, dass das nicht der Regelfall ist und wir sogar weit weg davon sind“, sagte Markus Warnke.
Unterfinanziert, unterbesetzt, ungerecht – das deutsche Bildungssystem benötigt dringend eine Reform. Zwei Jahre, bevor ab 2026 für alle Grundschulkinder, beginnend mit den Erstklässlern, der Rechtsanspruch auf einen Platz in der Ganztagsbetreuung greift, erhöhten Fachleute so den Druck auf das Land, die Ausgestaltung gesetzlich abzusichern.
Die schwarz-grüne Landesregierung hatte dies ursprünglich versprochen. Anstelle von verbindlichen Vorgaben zu Personal, Betreuungsräumen und auch zum Zusammenwirken von Schul- und Ganztagskräften hat sie bislang aber lediglich „fachliche Grundlagen“ mit vage gehaltenen Leitlinien vorgelegt.
„Es ist am Ende kein Gesetz“, sagte Pia Amelung vom Städtetag NRW, „entsprechend entsteht daraus auch noch keine Verpflichtung für die Kommunen“.
Die Städte, Kreise und Gemeinden fordern eine gesetzliche Grundlage
Die Städte, Kreise und Gemeinden verlangen eine gesetzliche Grundlage nicht nur, um Schulbauten und Personaleinsätze langfristig danach zu planen. Sie wollen auch, dass das Land für die Finanzierung des Ganztags-Ausbaus sorgt.
„Die Problematik landet bei den örtlichen Verantwortlichen. Dabei sind die Gesetze im Bund gemacht worden, und das Land duckt sich weg bei der Umsetzung“, kritisierte Kai Zentara vom Landkreistag NRW.
Bei der Experten-Anhörung brachten auch mehrere Vertretungen von Schulen ihre Perspektive ein. Sie betonten, dass man beim Ganztag Gestaltungsspielräume brauche. Es gebe gewachsenen Strukturen, die gut funktionierten, auch und gerade beim Zusammenspiel von Lehr- und Ganztagskräften.
„Mehr Geld ist bestimmt gut“, sagte Jan Günther, Lehrer an einer Grundschule in Holzwickede, „aber aus pädagogischer Sicht arbeiten wir an vielen Schulen schon sehr gut zusammen“.
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