Bedenklichkeit im Raum, Höflichkeit und Respekt verlieren sich: Analyse
In einer Zeit, in der die Rücksichtnahme auf andere Menschen im öffentlichen Raum immer mehr in den Hintergrund tritt, stellt sich die Frage, wie wir unsere Höflichkeit und unseren Respekt gegenüber anderen Menschen wieder auffrischen können. Die Analyse zeigt, dass die Vereinzelung der Menschen und die Zunahme von Konflikten im öffentlichen Raum zu einer Abnahme von Rücksichtnahme und Höflichkeit führen. Wir müssen uns wieder auf die Wichtigkeit von Höflichkeit und Respekt besinnen und Strategien entwickeln, um diese Werte wieder in unserem täglichen Leben zu etablieren.
Bedenklichkeit im Raum: Höflichkeit und Respekt verlieren sich
In der heutigen Gesellschaft wird immer mehr die Rücksicht auf andere Menschen verloren. Viele Menschen stehen am Ende der Rolltreppe still, blockieren den Ausgang der Drehtür oder stehen im Eingang von Bahnen. Sie gehen so über den Bürgersteig, dass es kein Vorbeikommen gibt, schneiden anderen den Weg ab, schieben ihre Einkaufswagen zielsicher an die Stellen im Laden, wo es besonders eng wird.
Das Phänomen wird als mangelnde räumliche Wahrnehmung (Spatial Awareness) bezeichnet. Es gibt Menschen, die scheinbar eine gestörte Wahrnehmung ihres Umfelds haben, die andere nicht sehen, fremde Bewegungen nicht vorausahnen und darum ständig anecken oder im Weg stehen und andere zu defensiven Reaktionen nötigen.
Verrohung der Gesellschaft
Die Verrohung der Gesellschaft ist ein Trend, der immer mehr zu beobachten ist. Menschen hören immer wieder, dass sie an erster Stelle stehen, dass es nur auf sie ankomme – positiv wie negativ. Es gehe um individuelle Bedürfnisse, etwa in der Werbung. Da heiße es ständig: Du stehst an erster Stelle.
Die Kehrseite eines solchen Individualismus sei die Vorstellung, dass einem im Zweifel niemand helfe. Alle sollen für alles selbst verantwortlich sein: Karriere, Familie, Gesundheit, sagt die Autorin Heike Leitschuh. Das verursache Stress, weil man das Gefühl habe, alles im Griff haben zu müssen.
Raum und Respekt
Die räumliche Wahrnehmung ist eine Fähigkeit, die Menschen erst lernen müssen. Etwa mit sieben Monaten beginnen Babys, Gegenstände wahrzunehmen und danach zu greifen. Sie trainieren ihre räumliche Wahrnehmungsfähigkeit.
Die Autorin Heike Leitschuh hat sich in einem Buch mit den Gründen dafür befasst, warum Höflichkeit und Respekt im öffentlichen Raum schwinden. Sie sieht darin eine Folge des neoliberalen Denkens.
Höflichkeit und Respekt im öffentlichen Raum
Die Autorin Heike Leitschuh sagt, dass Menschen oft peinlich berührt sind, wenn man sie freundlich darauf aufmerksam macht, dass sie anderen im Weg stehen. Es fehlt das Sensorium für das Gegenüber, sagt Leitschuh. Der Blick sei bei vielen nach innen gerichtet, darum gehe die Verbindung zu den Mitmenschen mehr und mehr verloren.
Die negativen Folgen des Neoliberalismus seien in unsere Herzen und Hirne eingeträufelt. Mit Raumverhalten als Teil der nonverbalen Kommunikation beschäftigt sich die Proxemik.
Die Bedeutung von Spatial Awareness
Spatial Awareness, also die Wahrnehmung der Umgebung und der eigenen Position darin, ist eine Aufgabe, die das Gehirn unbewusst leistet. Darum kann man Dinge sicher auf einen Tisch legen oder sich bewegen, ohne sich ständig zu stoßen. Menschen lernen das im Kleinkindalter.
Wenn die Fortbewegung im öffentlichen Raum nicht mehr reibungslos funktioniert, hat das mit Einstellungen zu tun. Die Autorin Heike Leitschuh hat sich in einem Buch mit den Gründen dafür befasst, warum Höflichkeit und Respekt im öffentlichen Raum schwinden.
Die wachsende Rücksichtslosigkeit im öffentlichen Raum sei ein Trend, sagt Leitschuh, aber zu jedem Trend gebe es auch einen Gegentrend. Menschen suchten nach neuen Formen von Gemeinschaftlichkeit etwa in kooperativen Wohnprojekten, Urban Gardening, Gemeinschaftsbüros.
Doch sei auch Politik gefordert, nach Jahrzehnten neoliberaler Wirtschaftspolitik den Gemeinsinn wieder zu stärken – auch für den Erhalt der Demokratie. Entwicklungen wie das Erstarken der AfD haben meiner Meinung auch damit zu tun, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht mehr gesehen fühlen und auf aggressive, tumbe, nationalistische Art versuchen, sich zu wehren, sagt Leitschuh.
Man müsse aber auch individuell reagieren, wenn man mal wieder im Alltag auf mangelnde Umsicht stoße. Nicht stänkern, sondern freundlich ansprechen, rät Leitschuh. Marc Aurel habe schon gefordert, den Respektlosen mit Respekt zu begegnen, nur so könne man anderen den Spiegel vorhalten.
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