Bewertung: Die Unverheiratete am Düsseldorfer Schauspielhaus

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Bewertung: Die Unverheiratete am Düsseldorfer Schauspielhaus

Das Schauspielhaus Düsseldorf hat mit seiner aktuellen Produktion von Henrik Ibsens Die Unverheiratete ein wahres Meisterwerk auf die Bühne gebracht. Unter der Regie von Matthias Fontheim gelingt es dem Ensemble, die Zuschauer in den Bann zu ziehen und sie in die Welt des norwegischen Dramatikers einzutauchen. Die Geschichte der Lavinia, einer Frau, die zwischen Tradition und Selbstbestimmung schwankt, wird mit großem Geschick und Feingefühl dargestellt. In diesem Artikel wollen wir Ihnen unsere Eindrücke von dieser beeindruckenden Aufführung mitteilen und Ihnen einen Einblick in die Welt des Düsseldorfer Schauspielhauses geben.

Unverheiratete Frauen auf der Bühne: Eine Tragödie des Jahrhunderts

Im Theaterstück Die Unverheiratete von Ewald Palmetshofer betreten ausschließlich Frauen die Bühne. Es sind die Junge (30), die Mittlere (50), die Alte (90) und vier Schwestern (die Hundsmäuligen). Welche Rollen sie spielen, bleibt lange im Dunklen. Wer aber vorab das Programmheft gelesen hat, ist klar im Vorteil.

Die drei erstgenannten Frauen sind Enkelin, Mutter und Großmutter, die namenlosen Schwestern lassen an Erinnyen-Figuren aus der Antike denken, Rachegöttinnen und Personifizierungen des schlechten Gewissens. Sie alle bewegen sich in einem Gefängnis aus hohen senkrechten Latten, das vorübergehend zum Krankenhaus wird, und sprechen ausnahmslos in Jamben, jenem Versmaß, in dem unbetonte und betonte Silben einander abwechseln.

Die Unverheiratete: Ein Theaterstück über die Frau und die Gesellschaft

Die Unverheiratete: Ein Theaterstück über die Frau und die Gesellschaft

Das Stück schaffte es schon zum Berliner Theatertreffen. Termine Die Unverheiratete von Ewald Palmetshofer ist im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses zu sehen, Gustaf-Gründgens-Platz 1. Weitere Aufführungen folgen am 17.5., 1.6. und 9.6.

Der Autor Ewald Palmetshofer studierte Theologie und Philosophie/Psychologie an der Universität Wien. Am Burgtheater Wien wurde 2014 Die Unverheiratete uraufgeführt und zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Der Regisseur Andreas Kriegenburg zählt zu den angesehensten Schauspiel- und Opernregisseuren. Am Düsseldorfer Schauspielhaus waren zuletzt seine Inszenierung von Minna von Barnhelm und das Open-Air-Theater Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag zu sehen.

Im April 1945 denunziert die Alte als junge Frau einen Soldaten, der darüber nachdenkt zu desertieren. Er wird standrechtlich erschossen, die Frau nach Kriegsende zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Damit legt Palmetshofer den Finger in Wunden, die schon fast verheilt schienen, von denen jedenfalls viele Menschen, die die Zeit des Nationalsozialismus als aufgearbeitet betrachten, nichts mehr wissen wollen.

Gegenwart und Vergangenheit überlagern einander in Andreas Kriegenburgs Inszenierung bis zur Undurchschaubarkeit. Die ergibt sich auch daraus, dass die hundsmäuligen Schwestern in mehrere Rollen schlüpfen. Stets von selbst erzeugten hohen Tönen begleitet, verkörpern sie Zeugen, Richter und Staatsanwalt im Prozess gegen die Alte.

Die in ihren Details schwer verständliche Handlung eröffnet den Schauspielerinnen famose Gestaltungsräume. Traute Hoess als die Alte, seit dem Tod ihres ungeliebten Ehemanns und schon lange davor Die Unverheiratete, setzt auf Gefühlskälte und resolutes Auftreten, das keinerlei Reue erkennen lässt. Pauline Kästner als die burschikose Junge flüchtet sich aus der belastenden familiären Vergangenheit in diverse sexuelle Beziehungen, und Claudia Hübbecker als ihre Mutter, die Mittlere, setzt alles daran, zwischen der unsympathischen, rechthaberischen Großmutter und der nur scheinbar lebenslustigen, in Wahrheit verzweifelten Enkelin ein eigenes Profil zu entfalten.

Ich bin Elektra, schreit sie ins Publikum. Im Programmheft erklärt Autor Palmetshofer, was er damit ausdrücken will: das schmerzliche Fehlen von Zuneigung zwischen Mutter und Tochter und das Gegenbild zur Mutter als Fürsorgenden, Liebenden oder gar als beste Freundin der Tochter.

Am Ende begeht die Alte Selbstmord, und die Junge wird von einem ihrer Liebhaber zusammengeschlagen – eine Tragödie ohne Fallhöhe, die ihre Kritik mitunter durch kaum sichtbare Stiche äußert. So kann man die Tatsache, dass ausschließlich Frauen die Rollen spielen, als Hieb gegen die patriarchalische Gesellschaft verstehen.

Autor und Regisseur lassen vieles unklar in der Düsseldorfer Aufführung, manches ist dicht am Wahnsinn. Man mag das als Herausforderung empfinden, man kann aber davor auch kapitulieren. Das Premierenpublikum blieb zweieinviertel Stunden ohne Pause auf den Sitzen und dankte dann den Schauspielern ausgiebig, aber nicht überschwänglich für ihre außergewöhnlichen Leistungen.

Dirk Werner

Als Redaktionsleiter von Real Raw News habe ich eine umfangreiche Erfahrung im Journalismus gesammelt. Mit einem starken Fokus auf nationale Nachrichten in Deutschland decke ich als digitaler Generalist Themen wie Kultur, Wirtschaft, Sport und aktuelle Ereignisse ab. Mein Ziel ist es, unseren Lesern stets fundierte und relevante Informationen zu liefern und sie mit spannenden Geschichten zu begeistern. Mit meiner langjährigen Expertise in der Branche stehe ich für eine professionelle und qualitativ hochwertige Berichterstattung.

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