Der Fall Harvey Weinstein: Die tiefgreifenden Konsequenzen auswirkender Rechtsauffassungsunterschiede
Der Fall Harvey Weinstein hat nicht nur die Filmindustrie, sondern auch die gesamte Gesellschaft aufgewühlt. Die Vorwürfe von sexualisierter Gewalt gegen den einstigen Hollywood-Mogul haben eine Welle der Empörung ausgelöst und die Frage aufgeworfen, wie es möglich war, dass ein solches Verhalten so lange unentdeckt bleiben konnte. Doch hinter den Schlagzeilen verbirgt sich ein komplexes Netzwerk von Rechtsauffassungsunterschieden, die weitreichende Konsequenzen für die Rechtsprechung und die Gesellschaft haben werden. In diesem Artikel werden wir die tiefgreifenden Folgen dieser Unterschiede analysieren und die Auswirkungen auf die Zukunft der Rechtsprechung in Deutschland und weltweit beleuchten.
Harvey Weinsteins Fall: Die Konsequenzen eines Rechtsauffassungsunterschiedes
Vor einigen Monaten wurde eine der Verurteilungen des US-amerikanischen Filmproduzenten Harvey Weinstein wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung vom höchsten Gericht des Staates in New York aufgehoben. Nun hat er auch in Los Angeles Berufung eingelegt, wo er 2022 zu 16 Jahren Haft verurteilt worden war.
Fall Weinstein kommt am Mittwoch erneut vor Gericht. Die Aufhebung des Urteils in New York hatte für Aufsehen gesorgt und die Frage aufgeworfen, was das für die „Me Too“-Bewegung bedeutet.
Die Rolle von Zeugenaussagen
Die Aufhebung war formal damit begründet worden, dass drei Zeuginnen im Prozess von früheren sexuellen Übergriffen berichtet hatten, die nicht Teil der Anklage waren. Solche Zeugenaussagen sind in Verfahren wegen sexueller Übergriffe oft wichtig, wenn Aussage gegen Aussage steht. Da liegt es nahe, früheres Verhalten in die Bewertung einzubeziehen.
Im Gegensatz dazu ist in Deutschland die Vorstellung verbreitet, dass Menschen sich nicht plötzlich ändern und dass man aus ihrem früheren Fehlverhalten auch auf ihre gegenwärtigen Neigungen schließen kann. Diese Beweisführung entspricht einer verbreiteten Vorstellung, die sich schon bei Aristoteles findet.
Die Molineux-Regel
Demgegenüber pflegen wir zugleich die (christliche) Auffassung, dass der Mensch frei ist, jederzeit eine innere moralische Wandlung zu vollziehen, und deshalb nicht auf seine Vergangenheit festgenagelt werden darf. Dem entspricht das ausdrückliche Verbot für die Staatsanwaltschaft in New York, Beweise für frühere Straftaten vorzulegen, „wenn sie nur dazu dienen, den schlechten Charakter des Angeklagten oder seine Neigung zu Verbrechen zu beweisen (Molineux-Regel). Damit soll verhindert werden, dass die Geschworenen den Angeklagten für seine Vergangenheit und seinen Charakter verurteilen und nicht nur für die Taten, die Gegenstand der Anklage sind.
Kalifornien gegen New York
In Kalifornien ist das jedoch anders. Dort darf die Staatsanwaltschaft bei Sexualdelikten die Geschworenen über das Vorleben des Angeklagten in Kenntnis setzen. Weinstein dürfte also schwerlich freikommen.
Unsere Autorin ist Philosophie-Professorin an der Ruhr-Universität Bochum. Sie wechselt sich hier mit der Pflanzenbiologin Petra Bauer und der Biochemikerin Birgit Strodel ab.
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