Warum Richard David Precht ein Jahrtausend der Toleranz fordert

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Warum Richard David Precht ein Jahrtausend der Toleranz fordert

Der Philosoph und Bestseller-Autor Richard David Precht ruft zu einem Jahrtausend der Toleranz auf. In einer Zeit, in der Hass und Intoleranz in vielen Teilen der Welt zunehmen, appelliert Precht an die Menschenrechte und den Respekt vor der Vielfalt der Menschen. Laut Precht sei es dringend notwendig, eine Kultur der Achtsamkeit und des Verständnisses zu fördern, um der wachsenden Polarisierung entgegenzuwirken. Sein Appell richtet sich an Politiker, Meinungsbildner und jeden Einzelnen, der sich für ein friedliches und tolerantes Zusammenleben einsetzen möchte.

Warum Richard David Precht ein Jahrtausend der Toleranz fordert

Das von Ihnen ausgerufene, zumindest angeregte Jahrhundert der Toleranz stellt große, auch intellektuelle Herausforderungen an alle. Sich seiner Urteile und Vorurteile zu entledigen, dürfte – vorsichtig gesprochen – viele überfordern.

Die Herausforderung der Toleranz

Die Herausforderung der Toleranz

Precht: Ja, das ist sicher so. Vorurteile und schnelle Bewertungen erleichtern das Leben und die politische Orientierung ganz erheblich. Dazu gehören auch simple Feindbilder, einfache Gut-Böse-Schemata und dass man sich bloß nicht selbst hinterfragt. Trotzdem erscheint es mir sinnvoll, dazu anzuregen, es gelegentlich mal zu tun.

Der Appell zu Toleranz in einer Zeit der Intoleranz

Der Appell zu Toleranz fällt in eine Zeit maximaler Intoleranz, in der systemische Rivalität und identitätslogisches Denken und Handeln mächtiger als in Zeiten des Kalten Krieges zu sein scheinen. Wie utopisch ist dann der Entwurf eines Toleranz-Jahrhunderts?

Ein Jahrhundert der Toleranz als Notwendigkeit

Precht: Ich glaube nicht, dass das Jahrhundert der Toleranz wahrscheinlich ist. Aber ich bin gleichwohl der Überzeugung, dass es dazu keine Alternative gibt. Wenn wir es im Angesicht der Klimakatastrophe und ihren furchtbaren sozialen Folgen nicht schaffen, uns global zusammenzuraufen, dann wird das 22. Jahrhundert keines sein, in dem weiterhin Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben können. Insofern sind wir zur Kooperation verdammt.

Die Notwendigkeit der Kooperation

Das bedeutet keine Toleranz für Völkerrechtsbrüche, Kriege und Genozide. Aber es bedeutet eine hohe Toleranz in der Frage, wie Staaten regiert werden, ob sie Demokratien, Demokraturen, Oligarchien oder Diktaturen sind.

Die Schwierigkeit der Toleranz in der Praxis

Angenommen, wir würden in einer Art zweiten oder fortgesetzten Aufklärung Konkurrenz nicht mehr als systemisch begreifen und auf diese Weise toleranter und kommunikationsbereiter werden: Wie verfahren wir dann mit Gesellschaften, die keine Toleranz kennen?

Die Grenzen der Toleranz

Precht: Die Zeit der systemischen Konkurrenz von Ideologien, wie ehemals zwischen Kapitalismus und Kommunismus, ist heute so gut wie vorbei – mit einer einzigen Ausnahme: dem politisch radikalen Islamismus. Nur monotheistisch geprägte Kulturen – die christlichen und die islamischen – missionieren mit ihren Wertevorstellungen. Ganz Asien tut das nicht. Und auch Russland glaubt nicht, dass seine Scheindemokratie der Exportschlager der Zukunft ist.

Die Zukunft der Menschenrechte

Wenn Grundrechte, wie Sie Sie schreiben, immer auch vom Zuschnitt der jeweiligen Gesellschaft abhängen, können demnach die von allen zu akzeptierenden Grundrechte sehr verschieden sein? Etwa bei der Stellung von Frauen in Gesellschaften? Wo würden Sie Grenzen ziehen?

Die Krise der Demokratie

Unsere Gegenwart ist eine Epoche menschheitsbedrohender Krisen: mit Kriegen, großen Migrationsbewegungen, Klimawandel und Ressourcenvernichtung. Unsere Antworten darauf sind schlichte Narrative, wie Sie schreiben. Ist das nicht auch eine nachvollziehbare Reaktion nach dem Motto: große Probleme erfordern schnelles, vor allem einfaches Handeln?

Die Notwendigkeit der Debatten

Precht: Das stimmt. Aufrüstung und militärische Härte und Konfrontation sind immer die schlichtest mögliche Antwort auf hochkomplexe Herausforderungen. Aber ebenso klar ist, dass einfaches Handeln oft falsches Handeln ist. Deshalb braucht unsere Gesellschaft eine breite und offene Debatte darüber, was das richtige Handeln ist.

Die Zukunft der internationalen Politik

Precht: Ich fürchte, wir haben noch zu viel davon, weil Europa und die USA so lange wirtschaftlich und politisch führend in der Welt waren. So sehr wir uns innenpolitisch für Gleichberechtigung und Diversität einsetzen, in der internationalen Politik wollen wir nicht viel davon hören, sondern verengen unsere Sicht auf das Schema Demokratien gegen Autokratien – als ob es darum ginge und nicht in Wahrheit um etwas anderes: um den Übergang von der US-Hegemonie zu einer multipolaren Weltordnung mit neuen starken Akteuren.

Ein Rat an die Politiker

Precht: Ich würde mich schlichtweg freuen, wenn sie mein Buch lesen würden.

Heike Becker

Ich bin Heike, Journalistin bei Real Raw News, einer digitalen Generalistenzeitung mit Fokus auf nationalen Nachrichten in Deutschland. Bei uns dreht sich alles um Kultur, Wirtschaft, Sport und aktuelle Nachrichten. Meine Leidenschaft gilt dem Schreiben und der Berichterstattung über relevante Themen, die unsere Leserinnen und Leser interessieren. Mit fundierten Recherchen und einem kritischen Blick auf aktuelle Geschehnisse möchte ich dazu beitragen, dass unsere Leserschaft stets bestens informiert ist und sich eine fundierte Meinung bilden kann.

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