Soziologe warnt vor Fehlinterpretation evangelischer Missbrauchsstudie

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Soziologe warnt vor Fehlinterpretation evangelischer Missbrauchsstudie

Ein bekannter Soziologe hat vor einer Fehlinterpretation einer aktuellen Studie zum Thema Missbrauch in evangelischen Kirchen gewarnt. Die Studie, die kürzlich veröffentlicht wurde, untersucht den Umgang mit Missbrauchsfällen in evangelischen Gemeinden und Kirchen. Der Soziologe kritisiert, dass die Ergebnisse der Studie falsch dargestellt werden könnten, wenn sie aus dem Kontext gerissen werden. Er fordert eine sorgfältige Analyse der Ergebnisse, um eine Vereinfachung oder Instrumentalisierung der Studie zu vermeiden.

Soziologe warnt vor Fehlinterpretation evangelischer Missbrauchsstudie: Kritik an statistischer Auswertung

Der Religionssoziologe Detlef Pollack hat die erste bundesweite Studie zur sexualisierten Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) als statistisch nicht seriös kritisiert. In einem Beitrag für das Kulturmagazin Zeitzeichen verweist der Münsteraner Wissenschaftler darauf, dass in 19 der 20 Landeskirchen lediglich die Disziplinarakten von Pfarrpersonen systematisch durchgesehen wurden und nur in einer Landeskirche auch eine Analyse der Personalakten stattfand.

Das Vorgehen der Forschergruppe, die in einer Landeskirche erhobenen Zahl von Missbrauchsfällen auf alle hochzurechnen, sei statistisch nicht vertretbar, so Pollack. Hat institutionelles Versagen bei Missbrauchsfällen gegeben, sagte Präses Thorsten Latzel.

Religionssoziologe Detlef Pollack kritisiert bundesweite Studie zur sexualisierten Gewalt in der Evangelischen Kirche

Religionssoziologe Detlef Pollack kritisiert bundesweite Studie zur sexualisierten Gewalt in der Evangelischen Kirche

Laut der im Januar vorgestellten Untersuchung fanden sich in den Disziplinarakten aller Landeskirchen Hinweise auf 2.225 betroffene Kinder und Jugendliche und 1.259 Beschuldigte in den Jahren 1946 bis 2020. Mit Hilfe der Hochrechnung kamen die Forscher auf fast 10.000 Betroffene und etwa 3.500 Beschuldigte.

Basis der Hochrechnung waren Zahlen der relativ kleinen Evangelisch-reformierten Kirche mit Sitz im ostfriesischen Leer, die in ihren Disziplinarakten auf sechs Fälle und in den Personalakten acht Fälle stieß. Hochrechnung gründet auf 14 Fällen, kritisiert Pollack. Nicht mal die Spitze des Eisberges, sei die Studie.

Die von dem forensischen Psychiater Harald Dreßing vorgenommene Hochrechnung gründet laut Pollack damit nur auf 14 Fällen und sei daher statistisch nicht vertretbar. Darüber hinaus handelt es sich um eine sehr kleine Landeskirche, die gerade einmal 0,8 Prozent der Mitglieder der in der EKD zusammengeschlossenen evangelischen Kirchen umfasst.

Pollack widerspricht der Kritik von Dreßing, die Landeskirchen seien nicht bereit gewesen, die Personalakten durchzusehen. Nach meinen Gesprächen in den Landeskirchen und der Lektüre des Abschlussberichts ergibt sich insgesamt das Bild, dass sich beide Seiten mehr vorgenommen hatten, als sie verwirklichen konnten. Vielmehr habe es offenbar ein Zusammenspiel von nicht zu Ende gedachten Vereinbarungen und verwaltungstechnischer Überforderung gegeben.

Nach Auskunft mehrerer Verantwortlicher in den Landeskirchenämtern sei von einer Gesamterhebung der Personalakten nie die Rede gewesen, so Pollack. Der Abschlussbericht spreche dann auch davon, dass aus den einzelnen Verwaltungsebenen der Landeskirchen Stichproben an Personalakten gezogen werden sollten.

Die Studie hat nach Einschätzung von Pollack aber das Wissen über die Bedingungen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche erweitert. Ins Visier gekommen sei etwa das evangelische Pfarrhaus, das mit seinen vertrauensvollen Sozialbeziehungen der Verdeckung von ausnutzbaren Abhängigkeitsverhältnissen Vorschub leisten könne.

Heike Becker

Ich bin Heike, Journalistin bei Real Raw News, einer digitalen Generalistenzeitung mit Fokus auf nationalen Nachrichten in Deutschland. Bei uns dreht sich alles um Kultur, Wirtschaft, Sport und aktuelle Nachrichten. Meine Leidenschaft gilt dem Schreiben und der Berichterstattung über relevante Themen, die unsere Leserinnen und Leser interessieren. Mit fundierten Recherchen und einem kritischen Blick auf aktuelle Geschehnisse möchte ich dazu beitragen, dass unsere Leserschaft stets bestens informiert ist und sich eine fundierte Meinung bilden kann.

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